Text aus der Siegener Zeitung vom 12. 4. 1996 (zugesandt von: TNies118@aol.com Wed 4. Feb 1998) (win) Text aus der Siegener Zeitung vom 12. 4. 1996 Mit der MAUS-Box offline um die Welt Seit einem Jahr im Betrieb: Rund 90 eingetragene User nutzen Niederscheldener Mailbox Niederschelden. Das Internet ist derzeit in aller Munde. Zwar schon seit Jahren existierend, hat sich das weltweite Computernetzwerk wie eine Lawine ausgebreitet, seit komfortable Benutzeroberflaechen das 'Surfen' in alle Welt kinderleicht gemacht haben. Doch wer sich schon einmal als 'Internet-Surfer' versucht hat, weiss, wie eng die'Datenautobahn' heutzutage ist und wie schnell es zu Staus kommt. Als Hauptursache kann die Online-Orientierungdes Internets gelten. Obwohl der reine Datenaustausch per Modem im wahrsten Sinne blitzschnell erfolgt, verbringt der typische Internet-Nutzer die meiste Zeit damit, die soeben erhaltenen Bilder oder Nachrichten vomBildschirm abzulesen. Dadurch wird wertvolle Online-Zeit verschenkt, in der andere Benutzer vergebens warten,an den jeweiligen Server andocken zu koennen und ebenfalls Daten herunterzuladen. Ganz anders funktionierenviele Mailboxen. Hier wird auf Offline gesetzt: Wer sich bei der jeweiligen Mailbox meldet, erhaelt ein komplettes'Paket' aus Nachrichten, Informationen und Botschaften, die fuer den jeweiligen Nutzer bereitgelegt werden.'Entpackt' und gelesen werden die Daten erst, wenn das Modem laengst wieder 'aufgelegt' hat. Dadurch haben zum einen viel mehr Nutzer Zugriff auf die Server, zum anderen sinken die Telefonkosten enorm. Musterbeispiel fuer diese Offline- Orientierung stellt die MAUS dar. 'Eine Maus? Klar, kenn ich. Das ist doch das kleine Kaestchen, das mit einem Kabel am Computer haengt und das man ueber den Schreibtisch schiebt, damit sich analog dazu ein kleiner Zeiger auf dem Bildschirm bewegt', mag da so mancher Computernutzer denken. Doch dieMaus ist fuer eine ganze Reihe von Computer-Anwendern noch etwas ganz anderes. Urspruenglich stand MAUS einmal fuer 'Muenster Apple User Service'. Und dahinter verbarg sich eine der ersten privaten Mailboxen in Deutschland. Aus einer MAUS wurden mittlerweile rund 130 in Deutschland, Oesterreich und der Schweiz: DieMAUS-Boxen haben sich breitgemacht. Seit einem Jahr ist das MAUS-Net auch im Siegerland zum Ortstarif zuerreichen. In Niederschelden steht der Rechner, der die Verbindung ermoeglicht. Was meint Mailbox? Was imbritischen Sprachraum einen Briefkasten darstellt, ist im 'Computerdeutsch' ein Rechner, den andere Computeranrufen koennen. Davon herrscht auch im Siegerland kein Mangel. Im Unterschied zu professionellen Online-Diensten wie CompuServe, AOL oder T- Online setzen Mailboxen auf den Austausch von Texten. Ueppige Grafiken, die im Internet oft minutenlanges Warten auf den Seitenaufbau zur Folge haben, gibt es nicht. Dafuererfolgt der Datenaustausch schnell. Und: Wer eine Frage hat, erhaelt innerhalb kuerzester Zeit mit grosserSicherheit eine qualifizierte Antwort. Denn im Gegensatz zum Internet, in dem gerade in juengster Zeit viele 'Spielkinder' ihr Unwesen treiben, ist das MAUS-Net ein Verbund von Profis, echten Fachleuten undleidenschaftlichen Computer-Puristen. Durch eine straffe Organisation, strenge Regeln in punkto Datensicherheitund Privat- sphaere und eine klare Baum-Struktur wird eine durchschnittliche Nach- richtenlaufzeit von einem Taggewaehrleistet. Klein, aber fein: Das koennte als Motto ueber dem MAUS-Net stehen. Denn die Zahl von 130 Servern nimmt sich gegen Tausende anderer Mailbox-Verbunde wie dem FIDO-Netz recht schmal- bruestig aus. Dennoch bringt die geringere Zahl kaum Nachteile mit sich. Hervorgerufen durch den offline-orientiertenDatenaustausch ist jeder Nutzer nur wenige Minuten pro Verbindung im Kontakt mit dem Server. Daher koennen erheblich mehr User auf den Server zugreifen. SysOp, oder - in voller Laenge - 'System Operator' und Betreiber der MAUS-Box Siegen ist Andreas Weiss. In seinem Zimmer steht der Rechner, ein 486er mit einer 540 und einer 100 Megabyte grossen Festplatte. Anschluss an die Aussenwelt ermoeglichen zum einen ein Zyxel-Modem, das einen Datenaustausch mit 14400 Baud sicherstellt, sowie ein ISDN-Anschluss. Beide sind unter der einheitlichenTelefonnummer (02 71)3 82 90 49 erreichbar. Wer nur einmal hineinschnuppern moechte, kann dies mit einemherkoemmlichen Terminalprogramm tun. Eingetragene User - das sind mittlerweile immerhin rund 90 an der Zahl -koennen sich ein spezielles Programm hinunterladen, das den bequemen Offline-Datentransport automatisiert. Ein jaehrlicher Obolus ermoeglicht es Andreas Weiss, wenigstens die laufenden Kosten fuer den ansonstenehrenamtlich und aus reinem Spass an der Freud aufgezogenen Netzwerk-Ableger zu decken. Im MAUS-Net fuehlen sich nicht nur die Benutzer der 'IBM-kompatiblen' Rechner wohl. Die Messagebretter wirken viel mehr wie ein Reservat fuer bedrohte Computer-Arten. Ob Atari ST, Commodore Amiga oder Apple Macintosh: Hier findet sich fuer jeden eine Ebene, um mit anderen Usern dieser weniger verbreiteten Betriebssysteme zu fachsimpeln. Selbst fast vergessene Namen wie Sinclair QL oder Texas Instruments TI 99/4A finden hier ihre 'oekolo- gische Nische'. Doch nicht nur die reinen Computer-Freaks nutzen das MAUS-Net. Vielmehr reichen die angebotenen Nachrichtenbretter von Reise ueber Kochrezepte, Fahrradfahren ueber Haustiere und Finanzen bishin zu Sparten wie 'Geistreich' oder 'Tintenfass', wo Selbstverfasstes angeboten wird. Besonders beliebt ist der 'Flohmarkt', wo Krimskrams, Troedel oder Selbstgemachtes zum Tausch oder Verkauf angeboten werden kann. Nachts werden die Daten von MAUS-Box zu MAUS-Box weitergereicht, bis sie beim 'Mutter-Rechner' in Aachen angekommen sind. Von dort aus werden Fragen und Antworten sortiert, E-Mails verteilt, angeforderte Programme dazugepackt. Anschliessend ruft der Aachener Rechner die naechsten MAUS-Boxen zurueck, die das komplette Datenpaket erhalten. Dies setzt sich fort bis in die obersten 'Aeste', und der Datenbestand der MAUS-Boxen istnach kurzer Zeit abgeglichen. Das MAUS-Net ist keine Insel. Spezielle Uebergaenge, sogenannte Gateways, in dia ewichtigsten Netze der ganzen Welt ermoeglichen es, E-Mails beispielsweise ins FIDO-Netz oder ins Internet zui uebertragen. Ebenso funktioniert dies natuerlich auf dem umgekehrten Weg. Dabei spielt die Datensicherheit eine grosse Rolle: Persoenliche Nachrichten oder Codewoerter bekommt nur der jeweilige Empfaenger zu Gesicht, nicht einmal der Sysop kann hineinspaehen. Doch wer glaubt, dass Mailbox-User blassgesichtige Tueftler sind, die sich ganztaegig bei Kunstlicht dem Monitor widmen, wird bei der MAUS-Box eines besseren belehrt. Regelmaessig treffen sich die MAUS-Surfer zum Datenaustausch per Voice-Mail - von Angesicht zu Angesicht, bei einem leckeren Kaffee oder einem kuehlen Bier. (win)